Die frühe Geschichte bis um 1900
* Das Wort Lavezze scheint auf Lavez zu verweisen, den Dialektbegriff für Speckstein (wie im Val Lavizzara, einem Seitental des Maggiatals, wo einst Speckstein abgebaut wurde). Doch es gibt im Muggiotal keinen Speckstein. Vielleicht bezieht sich der Begriff also eher auf die Familie der Lavizzari aus Como, die im Mendrisiotto viel Land besass. Und vielleicht hat Pietro Neurone zweimal schlecht gearbeitet und aus Lovasa einmal Rovasio gemacht, indem er L und R verwechselte, und das zweite Mal Lavezza, indem er die Vokale vertauschte – auf Karten des 19. Jahrhunderts heisst Neurones Valle Lavezzara nämlich Vallone di Lovasa.
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Eine Alp namens Rovasio
Seit wann ist die Loasa bewirtschaftet? In der Zürcher Zentralbibliothek wird eine Kartenhandschrift des Mendrisiotto von Pietro Neurone aus dem Jahr 1780 aufbewahrt. Der Kartograf (oder sein Auftraggeber) scheint sich vor allem für die Grenze zum (damals österreichischen) Herzogtum Mailand interessiert zu haben. Diese ist verblüffend präzis und sehr detailliert gezeichnet. Die Nummern der Grenzsteine sind heute noch die selben. Auch heute namenlose Tälchen und Bäche tragen hier einen Namen. Dafür gibt es im Landesinneren kaum Details und grobe Fehler. «Unser» Gebiet ist als Grenzgebiet genau gezeichnet. Und siehe da: Die Loasa existiert als Alpe di Rovasio bereits. Das heute namenlose Tälchen des Grenzbachs hiess Valle Lavezzara, eine waldfreie Region oberhalb unserer heutigen Erlenweide Prati del Lavezze.* Auf der ersten Landeskarte der Schweiz, der Dufourkarte von 1855, heißt die Loasa dann Lovasa. Auf allen Ausgaben der so genannten Siegfriedkarte (1894 bis 1933) bleibt der Name Lovasa bestehen; seit der neuen Landeskarte von 1954 ist das v weggefallen. Der Dialektforscher Professor Ottavio Lurati meint, Lovasa stamme vom Dialektverb lovà ab, was ungefähr «rutschen» oder «instabil werden» bedeute. Die Endungen -asa (Einzahl) und -as (Mehrzahl) respektive italianisierte Formen davon seien in der Region recht häufig: Moltrasio (Dialekt Multràs, am Fuss des Bisbino), Menaggio (Dialekt Menàs, weiter nördlich am Comersee) und so weiter. Lovasa würde auf Schweizerdeutsch also ungefähr «Rutschete» bedeuten, was sich auf Hangrutschungen beziehen kann oder darauf, dass hier Holz geschlagen und mit speziellen Rutschbahnen ins Tal gebracht wurde. Und Rovasio? Ich vermute: Pietro Neurone hat seinen Gewährsmann falsch verstanden und aus L ein R gemacht sowie die Endung zu -asio italianisiert. Die meisten Alpen im Muggiotal entstanden im 17. und 18. Jahrhundert. Die Weideflächen wurden aber noch bis um 1900 oder kurz danach grösser, seither ist der Wald wie- der im Vormarsch. Für die Loasa ist die Quellenlage etwas unklar: Auf der Siegfriedkarte 1:50 000 von 1911 sind die offenen Flächen der Loasa und der Cavazza miteinander verbunden, auf allen Ausgaben der Siegfriedkarte 1:25 000 (1894, 1906, 1907, 1925, 1933) aber ist die Loasa von Wald umschlossen; der Waldrand verläuft fast gleich wie heute, lediglich im Süden reichte die heutige Erlenweide bis an die Landesgrenze. Vielleicht wurde der Nordabhang des Roccolo zwischen 1907 und 1925 tatsächlich kahlgeschlagen – immerhin gab es in dem Gebiet einen Köhlerplatz, der noch heute erkennbar ist – und waldete dann wieder zu, da der steile Nordhang keine gute Weide ist. Vielleicht haben aber auch einfach die Kartenzeichner gepfuscht. |
Touristisch war die Gegend von Italien her schon im 19. Jahrhundert gut erschlossen (für die Schweizer war der Monte Generoso interessanter): 1894 gab es Hotels auf Prabello und dem Bisbino und eine Osteria auf Binà (Binate). Das damalige Restaurant der Zanetta auf der Cavazza ist erstmals auf der italienischen Landeskarte von 1925 als solches verzeichnet: Osteria Internazionale.
Das Haus der Loasa ist schon 1894 – auf der ersten ausreichend genauen Karte – so gross wie heute. Die Grösse des Hauses und der Name Lovasa ohne «Alpe» (während bei- spielsweise die Häuser in der Crotta noch Alpe Grotta hiessen) könnte ein Hinweis darauf sein, dass die Loasa damals schon nicht mehr wie einst als Sömmerungs-, sondern als ganzjähriger Bauernbetrieb genutzt wurde. Ungefähr beim heutigen Miststock stand ein winziges Gebäude, vermutlich die Zisterne. 1907 sind erstmals das Rustico und die Nevèra verzeichnet. Auf dem Roccolo verzeichnen die Karten bis 1933 ein Gebäude – den Vogelfängerturm –, seit 1954 gibt es dort nicht einmal mehr eine Ruine. Die Nevèra aber hat es bis heute auf der Karte nicht zur Ruine gebracht, sondern lebt als Gebäude fort – und vielleicht ist sie das ja auch wieder, wenn unsere Pläne wahr werden...
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